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Warten auf… Johnny

15/09/2005

Die Zeitfressmaschine

 Ich warte. Das kann ich mittlerweile schon ziemlich gut, das Warten. Und wo ich schon überall gewartet habe! Besonders beliebt: Vor dem Generali-Center, vor der Apotheke am Schwedenplatz, vor diversen Schulen, in Arztpraxen, in Unfallambulanzen – womit wir beim Thema wären: Johnny.

Der ja an sich ein Unfall war. Also in dieser Form, nein: generell, nie geplant. Ich wollte keine Kinder haben; allein, die Realität holte mich ein. Die Realität hieß Werner und war mit einer 900er Honda Bol d‘Or ziemlich schnell unterwegs.

Kurz: Der Motorrad-Urlaub auf Korsika endete mit einer schweren Verkühlung, die meinen Zyklus derart beeinflusste, dass – Zack Bumm. Na ja. Meine Oma meinte damals, ich triebe böse Scherze mit einem Mutter-Kind-Pass-Prospekt vom Frauenarzt. Um meine Familie ein bisschen auf den Arm zu nehmen. Liebe Oma im Omahimmel, du siehst ja, was aus diesem Scherz geworden ist! So böse ist er übrigens gar nicht. Nur ein bisschen verpickelt zur Zeit.

Worauf ich hinaus will: Mein Sohn hat mich immer schon warten lassen. Begonnen hat das bei seiner Geburt: Johnny kam nicht. Zwei Tage nach dem errechneten Termin begann es zu zwicken; es war, ich weiß es noch genau, ein Sperrtag. Also: ein Freitag. (Ich lebte damals im Gasthaus meiner Eltern, die es sehr zu schätzen wussten, dass Johnnys Ankunft den laufenden Betrieb nicht störte.)

Gegen Mittag informierte ich den Kindesvater. Werner machte sich auf den Weg nach Wels, wohin auch ich mich begab, um in der Frauenklinik niederzukommen (was für ein Wort!). Franz ließ sich Zeit – er hoffte, den blutigen Teil der Angelegenheit zu verpassen. Er ließ sich viel Zeit. Johnny ließ sich allerdings noch mehr Zeit als sein Vater, der irgendwann, neben mir sitzend, in den Stand-by-Modus kippte. Wäre vor dem Klinikfenster nicht eine Gasleitung explodiert, Werner hätte durchgeschlafen. So konnte er dann wenigstens der Feuerwehr zusehen, während ich mich fadisierte.

Von Zeit zu Zeit tröpfelte medizinisches Personal ins Zimmer, überprüfte den Stand der Dinge, zuckte die Schultern und verzog sich wieder. Die Wehen kamen und gingen, wer nicht kam: Johnny. Der wollte einfach nicht. Wahrscheinlich war es ihm zu anstrengend. Schließlich gab er ganz auf, und da wurde es spannend: Nach der Diagnose „Geburtsstillstand am Beckenboden“ fand ich mich plötzlich einsam und verlassen im Zimmer wieder.

Alle, inklusive Werner, waren im angrenzenden Operationssaal. Als sich das Fehlen der Hauptperson bemerkbar machte, wurde ich doch noch zur Party gebeten. Dann ging alles sehr schnell: Man schnallte mich auf eine Liege, eine Hebamme hechtete auf Arztkommando von rechts hinten schräg über meinen Körper („Drüüücken!“) – und da war der Wonneproppen. Johnny sah übrigens laut Zeugen haarscharf aus wie der Bruder von ET.

Eine Stunde später (ich wartete…) legte man mir den Winzling geduscht und gewickelt auf den Bauch. Den Blick, den er mir zuwarf, werde ich nie vergessen: Wie könnte ich auch. So sieht er heute noch aus, wenn man ihn aufweckt. Egal, wie lange er geschlafen hat.

Manches bleibt eben immer gleich. Der Schlafzimmerblick – und das Warten. Jede Wette: Godot ist schneller als mein Sohn.

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