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Eferding, Abendgesang

17/09/2020

Ich leg die Kamera mitten hin. Kommt eh kein Auto. Viertelstundenlang keins. Selbstauslöser. Mach du, sag ich. Die Kamera macht. Passt? Fragt sie. Ich sag: Passt.

Komm ich nach Eferding, war es so vor ein paar Stunden: Rollkofferrattern von der Haltestelle Industriegebiet keine zehn Minuten zum Haus der Eltern und ums Haus der Eltern herum, bis nichts mehr rattert, weil Gras. Vorher im Park war Laub, knisternd, bald Herbst, aber äußerst schöner Tag in seiner Abendneige. Im Garten die Eltern, barfuß oder fast barfuß, halb in leichten Schuhen. Der Vater holt Sessel aus dem Schuppen, in dem die Plastiksessel wohnen und die Werkzeuge daneben und der Rasenmäher und irgendwo wär was zum Aufblasen für den runden Pool. Die Mutter hat zum Trocknen aufgelegt das schöne Neugestrickte, frischgewaschen, gelb. Sie zeigt zum Apfelbaum: Schau, die Äpfel sind geerntet. (Ich weiß im Keller: Gläser, Apfelmus.) Wir reden, reden, reden, bis ich weiter muss, bis ich …

… rollkoffernd die Straße hinauf und am Kreisverkehr kurz angehupt, ein Freund grüßt im Pressieren und weg ist er, ich seh ihm nach. Im Hof vom alten Haus fünf Minuten Konversation: die Schwester am Balkon, ich unten, Wortbälle werfen wir uns zu (bist du, hast du, brauchst du, wirst du, bis dann!). Parke den Koffer, wasch mir die Hände, raus bei der Vordertür, bei der großen Tür, bei der alten Wirtshaustür, die der Schwester gehört und mir gehört, also uns gehört (auf eine Art).

Kaffeehaustreffen am Hauptplatz, der sich Stadtplatz nennt, der Platz genug hat zum Draußensitzen, mit schwarzem Hund daneben, der später sich die Leine schnappt und daran zerrt, der sich zottelschwarz verliert in der Nachtwerdung, der uns vorbeiführt an der Freiluftsitzung der Frauen von der Bücherei im Mittergrabendämmer. Der Bücherenge ausgewichen unter freien Himmel. Wechselseitig laden wir uns ein zu dieser Lesung, zu jener Präsentation.

Zurück, allein. So still ist es, ich hör (mitten in der Stadt) die Leute reden hinter ihren Wänden. So still ist es, ich seh (über den Dächern) eventuell den Mars, könnt sein, könnt nicht sein, ich bild mir ein das Rötliche. Kurz traurig, weil Erinnerung.

Im Gastzimmer (ist keins mehr und doch eins wieder). Schwester, Schwager, Freund. Ist Arbeit zu erledigen, ist lachen und überlegen und sind viele Ideen, so machen wir’s, das versuchen wir, das ist nix, das lassen wir bleiben. Das wird gut, ha! (Wir sind ein gutes Team, weil wir uns kennen.)

Am Schluss, sehr müd schon, sehr spät schon, noch einmal raus auf’s Straßenleer. Als Kind war’s nicht anders. Als Kind war’s auch so: Immer noch einmal raus auf’s Straßenleer. Schauen. Lauschen. Hineinhorchen ins Kleinstädtische. Ins sehr Ruhige. Ich leg die Kamera mitten hin. Kommt eh kein Auto. Viertelstundenlang keins. Selbstauslöser. Mach du, sag ich. Die Kamera macht. Passt? Fragt sie. Ich sag: Passt.

Und sag Gut Nacht. Schwester Gut Nacht, Schwager Gut Nacht, Freund Gut Nacht.

Unterm Dach sitzen zwei Bären auf einer Kiste, zwei Bären, von denen einer ein Hund ist. Sitzt ein Frosch im Lotussitz und lässt sich den Bauch streicheln mit einem Finger. Sitze ich im Pyjama und frisch gewaschen wie das Gelbgestrickte der Mutter. Am Schreibtisch, das Fenster weit offen nach Mitternacht, kaum Licht, weil’s egal ist. Hör ich den Grillen ein wenig zu, den Nachtvögeln, die etwas rufen, das ich nicht versteh. Das ich früher verstanden hab. Als Kind war’s ein Gruseln. Ist auch schon wieder lange her.

(Und frag mich, das Getippte gelesen, es hat zu regnen begonnen, es tropft aufs Fensterblech. Und frag mich, ob ich nicht einfach so den Text in den Regen stellen möcht.)

 

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