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Schönen Sex noch!

15/08/2005

Ich stolpere über einen Laut…

Schluss mit dem Gezögere: Mutigen Schrittes durchmesse ich meine Wohnung. Festen Herzens, überzeugt von den guten, natürlichen Anlagen meines Sohnes öffne ich die Tür zum Zimmer des armen, in der Verwirrung seiner erwachenden Manneskraft gefangenen Knaben. Und beschließe im selben Moment, nicht mehr soviel Dostojewski zu lesen. Was ich sehe, ist gar nicht Dostojewski. Eher Bret Easton Ellis. Austrian Psycho. Er wird doch keine Leichen…? Schwachsinn. Höchstens die verwesenden Reste von Schokoosterhasen.

Na ja. Luft anhalten und Johnnys Zimmer entern sind eins. Während ich über das Kleiderschrankmassaker balanciere und dabei versuche, nicht auf die Bohrmaschine zu treten, stolpere ich über einen Laut. Jawohl, das gibt’s. Der Laut hat hier eindeutig nichts zu suchen, also stelle ich ihn zur Rede. Worauf sich der Schuft verteidigt: Er käme nicht von hier drinnen, sondern von draußen. Vom Hof. Mangels an Beweisen muss ich ihn freilassen. Empört atme ich ein – großer Fehler, mit Spätfolgen ist zu rechnen – da kommt der Laut wieder. Tatsächlich: Vom Hof.

Johnnys Zimmer hat nämlich ein Fenster zu diesem Hof, und eine unserer jungen Nachbarinnen hat auch eines. Außerdem hat sie Sex, ganz unbestreitbar. Klingt sogar nach gutem Sex. Nein, nicht der Neid lässt mich erbeben, guten Sex habe ich selber, danke der Nachfrage. Sondern die Tatsache, dass meinem Sohn mitten am Tag quasi gratis eine 0900er-Nummer frei Haus geliefert wird. Würde, wäre er da.

Jetzt verstehe ich, warum er nicht wegziehen will. Von wegen: Die Wohnung liegt so zentral.

Ich starre Richtung Fenster, wo sich ein Kaktus phallusartig in die Höhe stachelt. Die Dinger gedeihen prächtig in dieser von Sauberkeit völlig befreiten Höhle. Wen wundert’s. Die Dame nähert sich dem Höhepunkt. Ich nähere mich meinem Wecker und der Erkenntnis, dass Johnny nicht mehr sechs, sondern sechszehn ist, ich nicht mehr 28, sondern 38 und es sich hier nur meinerseits um einen Rückfall in die prepubertäre Mutterphase handeln kann. Ich hatte mich doch schon längst damit abgefunden, nicht mehr ins Bad zu dürfen, wenn mein Sohn duscht. Außer, ich will Gekreische. Will ich nicht. Ich war es doch, die ihm angesichts fünf riesiger Knutschflecke einen Rollkragenpulli geborgt und eine Packung Kondome geschenkt hat. Zum Trockentraining. Mit wem hat er sich vom Aufklärungsbuch (das süße mit den Mäusen von Janosch) bis zum Aufklärungsvideo (weniger süß, dafür aus Dänemark) hochgearbeitet? Mit mir.

Also, Mädel da draußen: Schönen Sex noch. Ich schnappe mir meinen Wecker, grüße im Vorbeigehen die Hose, die sich in den Schmutzwäschekorb stürzen will (sie hat’s immer noch nicht über den Rand geschafft) und sage zu ihr: Lass gut sein, alles halb so wild.

Mein Sohn kommt morgen. Zur Begrüßung bekommt er elf Sachen: einen Kuss, eine Umarmung, einen Müllsack, Schutzhandschuhe, Besen, Staubsauger, Wischmop, Eimer, Desinfektionsmittel, Putzanleitung und eine Salamipizza.

Bis auf die Salamipizza wird er auf alles andere verzichten wollen. Darf er aber nicht.

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