Rumpelstilz und Taj Mahal
31/07/2008
Vor mir ein Gebirgsmassiv Seit gut zwei Wochen legt sich beim Versuch, einfache Texte zu schreiben, alles quer im Denken. Querdenken, querschreiben. Klingt gut, ist aber nicht. Zumindest weiß ich, was blockiert. Zumindest steh ich vor dem Gebirgsmassiv, das mich am Weiterkommen hindert, und such nach einem Pass.
Holger, sag ich einem Freund am Telefon, schmeiß mir ein Seil rüber, gedreht aus ein paar Begriffen, ein zackiges Steigeisen für die Eisfelder, schön langsam muss ich raus aus dem Tal. Während ich noch bügle, dabei den Fernseher laufen lasse und aus der Nachbarwohnung Räucherstäbchenduft herüberweht, klopft sich eine Textbotschaft ins Handy.
Lieblingsfriseur. Taj Mahal. Rumpelstilzchen. Sex on the Beach.
Na fein. Zum Lieblingsfriseur gibt’s nicht viel zu sagen. Er heißt Roman und ist ein guter. Ich hatte kürzlich mit drei Kollegen eine Frisurenunterhaltung. Zwei finden Kurzhaarfrauen ziemlich schön, einer eher doch nicht. Meine Haare werden immer länger. Daran ist Roman schuld, weil der feine Stufen ins Haar schneidet, damit es gut wachsen kann. Alle drei Kollegen tragen die Haare kurz. Das Gespräch fand beim Mittagessen statt, auf der Terrasse, und ich wette, meine Haare sahen im Sonnenlicht ziemlich nett aus.
Ok, geht ja. (Werden Sie mich auf diesem Trampelpfad raus aus der Schreibblockade noch weiter begleiten? Ich hab ja nicht mal Marschverpflegung im Gepäck.)
Klettern wir weiter zum Taj Mahal. (Mittlerweile ist mein Sohn nach Hause gekommen. Wir haben schlechte Grenzen zueinander. Wenn in ihm ein Felssturz ist, ist in mir auch einer. Das geht auch vize versa. Da es in mir felsstürzt, streiten wir kurz. Gewitter, Donner, Blitz. Vor dem Hagel ist alles wieder gut.)
Das Taj Mahal könnte eine Hütte sein, zu der mir nix einfallen will. Immerhin befinden wir uns im Gebirge. Wenn ich könnte, wie ich wollte, würde ich einen Sommer lang auf einer Alm arbeiten. Wanderer bewirten. Die kämen dann in grob gestrickten Stutzen und Kniebundhosen einhergestockt, zumindest die älteren. Und manche Männer hätten einen Filzhut auf und manche Frauen trügen rotkarierte Blusen und einen dicken Popsch. Sie würden schnaufen beim Niedersetzen und sagen: Gut ist es da. So schön. Und ich würde mit einem Tuch über den Tisch fahren, den Spatzen die Krumen zuwedeln und stolz sein, als wär das meine Welt.
Ich kann grad nicht, wie ich will. Heute back ich, morgen brau ich. Übermorgen. Nein, hol ich keiner Königin ihr Kind. Der Rumpelstilz hat ja auch in den Bergen gewohnt, oder zumindest im tiefen Wald. Im tiefen, dunklen Wald. Erst sprang er ums Feuer, dann riss er sich – Horror vom Feinsten – selbst mitten entzwei, bevor er im Erdboden versank. Die Vorliebe für gepflegten Horror wird in der Kindheit gelegt.
So, jetzt hänge ich wieder. Vom Rumpelstilzchen zu Sex on the Beach ist es ein doch eher weiter Schritt. Wobei Holger den Cocktail meinte (Wodka, Pfirsichlikör, Cranberry- und Orangensaft plus Eiswürfel) und nicht den tatsächlichen GV am Sandstrand. Nehme ich zumindest an.
Wir hatten vor kurzem mehrmals Sex on the Beach – für mich, die kein Bier und keinen Wein verträgt, eindeutig eine Bereicherung. Das ganze fand auf einem großen Schiff zwischen Dover und Amsterdam statt. Wie wir dorthin kamen, ist eine andere Geschichte, die zu schreiben mein verqueres Denken bisher hartnäckig verweigert. Hunderte angeheiterte Briten, großgemustertes, üppiges Innendekor und aus Handtüchern gebastelte Mini-Elefanten spielen darin eine Rolle. Vielleicht war es der Eindrücke ein Euzerl zuviel.
Für heute ist’s genug. Ich schlage ein paar Nägel in den Fels, hänge mein Notbiwak in die Wand und denke über die Engländer nach. Die haben sicher auch gute Sagen. Aus dem Tal winken ein paar Wanderer mit ihren weichen Filzhüten, Bergdohlen streiten sich um einen Platz in Abfallnähe und überhaupt: Danke fürs Mitkommen.