Hummer und Schmutzwäsche
22/01/2006
Von führenden Waschmittelpsychologen empfohlen
Ein führender Waschmaschinenhersteller – nein, ganz falsch – ein führender Jugendpsychologe hat in einem seiner Bücher Heranwachsende mit jungen Hummern verglichen, die gerade wachsen, daher den Panzer abgeworfen haben und sich derart verletzbar in ihre mit Unrat gepolsterte Höhle (aka „Zimmer“) zurückziehen. Wobei der Unrat Trost spendet. Oder so. Ich hab‘ mir weder den Namen des Herrn gemerkt, noch das Buch, aus dem ich hier so grob aus dem Gedächtnis zitiere. Auch nenne ich keine Waschmaschine mein eigen. Trotzdem passt das Ganze fein zusammen.
Denn ein- bis zweimal pro Woche drängt es mich, Wäsche zu waschen. Und sofern das einzige Exemplar Waschmaschine frei ist, das uns Mietern zur gemeinsamen Verwendung dient, wird auch gewaschen. Was ich dabei gelernt habe: Wer waschen will, muss schnell sein. (Es sind die kleinen Dinge, die den Alltag spannend machen.) Zusammenraffen, was entfernt an Schmutzwäsche erinnert, zwei Stockwerke hoch hetzen, sich an die Waschmaschine klammern wie Gollum in „Herr der Ringe“ an den Ring („It came to me, my own, my love… my… preciousssss“) und dabei, wenn geht, keine Spur aus Stringtangas, Stinkesocken und Waschpulver hinterlassen.
Sehr praktisch ist bei diesen Hauruck-Aktionen, dass sich meine Wäsche quasi eigenständig zusammenrafft. Sie hat aus jahrelanger Praxis gelernt, sich beizeiten im Schmutzwäschekorb einzufinden. Mit Johnnys Wäsche muss man hier etwas nachsichtiger sein: Sie ist, wie ihr Besitzer, noch nicht ganz so selbständig und verteilt sich über sein Zimmer. Was sag‘ ich. Über die ganze Wohnung.
Gut, dass es Mütter gibt, die praktische Dinge vererben: Zum Beispiel den Wäscheschlachtruf. Eine Großmeisterin dieser Kunst – meine Mutter – hat mir und meiner Schwester diese Tradition weitergegeben. Praktischerweise stand die Waschmaschine meines Elternhauses im überdachten Innenhof, dessen Akustik dazu geeignet war, die ganze Kleinstadt zu beschallen.
Mich wundert heute noch, dass Mutter nur die Familienwäsche wusch, nachdem sie mit ihrem „Hastdunochwaszuwaschen?“-Schrei sämtliche Nachbarn regelmäßig dazu aufforderte, vom Höschen bis zur Bettwäsche „alles“ und „zwar sofort“ abzuliefern, weil sie „eben jetzt“ wasche. Und nicht später. Es war unmöglich, sich dem zu entziehen, egal, ob es gerade passte oder nicht. Weil man beispielsweise unter der Dusche stand, splitternackt, mit Shampoo in den Augen.
Wenn ich also den Hummer, der mein Sohn gerade ist, zur Herausgabe seiner Koch- und Buntwäsche zwingen möchte, greife ich auf Mutters Erbe zurück. Ich habe die Kunst des Wäscheschlachtrufens sogar weiterentwickelt und fokussiere den Schall gezielt auf Johnnys Zimmertür – die Wände in einem 70er Jahre-Neubau sind dünn, und die Nachbarn dürfen nicht spitzkriegen, dass die Waschmaschine frei ist.
Ehrlich: Ich brauche nur anzusetzen und aus der Hummerhöhle fliegt mir ein Wäschekorb entgegen, auf dessen Grund sich sogar ein paar Jeans und einzelne Socken verirrt haben. Die darauf folgende Diskussion mit dem Hummer dient dazu, auch die Wäsche freizupressen, die nicht im Korb lag, sondern sonst wo. Also den Großteil. Bleibt nach erfolgreicher Verhandlung, die Wäsche vom Müll zu trennen, diesen wieder in der Hummerhöhle zu drapieren (Tür auf, werfen, Tür zu) und flott die Waschmaschine zu entern.
Warum ich den Knaben die Wäsche nicht selber waschen lasse? Ach, wissen Sie: Am Vermüllungsgrad der Wäsche lässt sich angeblich erkennen, ob dem Junghummer bereits ein neuer Panzer wächst. Meint der Waschmittelpsychologe. Zumindest ungefähr. (Und wenn nicht: Es sind die kleinen Dinge, die den Alltag spannend machen. Aber das erwähnte ich ja schon.)