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Das U-Wort, die Schlacht

31/08/2006

Mach ja das Beste draus

Interessant. Laut Wikipedia ist der Urahn für den Begriff „Urlaub“ das alt- bzw. mittelhochdeutsche Wort für „Erlaubnis“. Die Ritter baten ihre Lehnsherren um „urloup“, wenn sie in eine Schlacht ziehen wollten. Ich vermeide, das U-Wort in Zusammenhang mit den vergangenen zwei Wochen in Verbindung zu bringen, weil wenn, dann war das eine Schlacht.

Linguistischer Boykott: Ich mag das U-Wort nicht. Es zwingt sich, nach Leichtigkeit zu klingen und nach Meer zu schmecken. Oder alpin. Dabei engt es qualitativ wertvolle Lebenszeit auf einen überschaubaren Zeitraum ein und wehe, du machst nicht das Beste draus. Kurz: Es stinkt vielleicht nicht, aber es müffelt.

Die letzten vierzehn Tage waren nicht schön. Obwohl. Wenn ich lustig wär, könnte ich was draus machen. Titel: Abenteuer-U-Wort. Dahinter ein leichtes Texterl, in das ich Bonmots über den plötzlichen Wettersturz hineinlächle. Gefolgt von flockigen Anmerkungen zur Freizeitgestaltung in der Kleinststadt bei Regenwetter. Und dann lachen wir gemeinsam herzlich über den missglückten DVD-Abend des in der Großstadt verbliebenen Nachwuchses. Missglückt im Sinne von: außer Kontrolle geraten. Wohnung überfüllt. Hausmeisterinnenalarm. Grad nicht Polizei, weil Nachwuchs an sich so nett. Auch das verstopfte Klo bietet Unterhaltung, vor allem, wenn erst nach 24 Stunden alles wieder wie vorgesehen fließt.

So betrachtet und beschrieben klingt das lustig. Und Wochen später kann man darüber lachen, mag sein. Aber jetzt. Sehne mich nach Stille wie schon lange nicht mehr. Nicht nur nach Stille, sondern danach, wie sich die anfühlt. Wie porzellanweißes, kühles Nichts.

Das normalste in letzter Zeit war wahrscheinlich wirklich das Spontanfest ein paar völlig übergeschnappter Jugendlicher in meiner Wohnung und der Regen, der begonnen hat, als wir im Leihwagen gen Westen zogen, der Kurde und ich, als das Handy vom Kurden läutete und ein Freund dran war und sich Beklemmung breitmachte, und dann war alles so eigenartig stimmig. Die Wolken zogen auf, der Sommer vorbei, der Kurde schwieg. Jemand war tot, einer, den wir beide mochten, ich erst kurz und der Kurde schon sehr lang. Hat sich aus dem Leben gebracht.

Vor lauter Grübeln, warum er das getan hat, drängten wir die Trauer zur Tür hinaus. Wir dachten nach, forschten nach Hinweisen, nach Signalen, die wir übersehen haben könnten, erlebten ihn noch einmal und – ich vor allem – immer nur als den, der so, wie er hieß, nicht war. Weil er nur strahlte. Die ganze Zeit.

Vorhin habe ich die letzten äußeren Spuren der Verwüstung beseitigt. (Der Wecker war am Regal angeklebt.) Die Wohnung sieht aus wie vorher, sie riecht auch wie vor dem Fest. Sauber. Aber dann pocht es in diese ruhige Ordnung an die Tür und die Trauer will wissen, ob ich soweit bin – und ich komm‘ mir falsch vor, als ob nur diejenigen trauern dürften, die ihm wirklich nahe waren, dabei ist alles so übermächtig und so kummervoll, so übervoll mit Kummer in diesem porzellanweißen, kühlen Nichts.

Und man sitzt da, die Hände im Schoß, starrt in die Leere und nimmt Abschied, so gut man kann.

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