Wer funktioniert, darf bleiben
24/01/2007
Der „goldene Boden“ ist ziemlich hart Mein Sohn ist Lehrling. Machen Sie sich nix draus, dann lernt er wenigstens was G’scheites. Handwerk hat ja, wie man so sagt, „goldenen Boden“. Fein, dann fällt er schön hart, wenn er fällt. Derzeit überlegen wir ja, den Kündigungsschutz für Lehrlinge ein bisserl zu lockern. Sorgen müssen wir uns nicht, weil der goldene Handwerksboden für den Kündigungsfall mit ein paar AMS-Kursen gepolstert wird, und alles wird gut. Super, gell?
Super, das finden wir auch, mein Sohn und ich. Mein kluger, hübscher, eigenwilliger Sohn, der gelernt hat, dass man sich nicht jeden Schwachsinn gefallen lassen muss, und der sich damit in seiner Lehrstelle nicht nur Freunde gemacht hat.
Übrigens: Ich kann nicht einfach sagen, Johnny macht eine Lehre. Nein, ich sage: Johnny macht eine Lehre, in einem ausgezeichneten Hotel, internationale Hotelkette, fünf Sterne, beste Chancen für die weitere Karriere im In- und Ausland. Und das reicht nicht, ich sage auch: Johnny wollte auf die Grafische, nach der Aufnahmeprüfung auf Platz vier der Warteliste, grad nicht geschafft, so ein Pech. Dann die HTL, nicht so seines, also Lehre. Wie sein Großvater, der in der Schweiz Topgastronom hätte werden können, wenn er nicht den Familienbetrieb hätte übernehmen müssen, dafür hat er dann am Land Kalbszüngerl und Butterteigpastete eingeführt, immerhin.
Aber das so zu sagen, fühlt sich falsch an, denn im Grunde stimmt: Mein Sohn macht eine Lehre, mein Vater war Gastwirt und das ist ok. Nicht ok ist, dass der ohnehin gar nicht so fest sitzende Kündigungsschutz angetastet werden soll, genauso wie es nicht ok ist, dass das Wort Lehre einen unangebrachten Rechtfertigungsaufwand auslöst. Nach dem Motto: Die Lehre war die zweite Wahl nach der angestrebten Bildungsoffensive Richtung Akademiker.
Wahr ist, dass viele Jugendliche Probleme damit haben, eine Lehrstelle zu finden, weil sie nicht ordentlich lesen, rechnen und schreiben können, zusätzlich grad pubertär angemotzt sind und es wenig Lehrstellen gibt. Nicht die besten Voraussetzungen. Finden sie dann eine Lehrstelle, müssen sie „froh sein“ und die Klappe halten, weil es „so ein Glück war“, und wer weiß, ob man eine zweite Chance bekommt, wenn man nicht funktioniert. Das Damoklesschwert heißt „Jugendarbeitslosigkeit“ und ist ganz schön scharf geschliffen.
Und, die Wahrheit über allem ist, dass es verdammt noch eins nicht die Schuld der 14-Jährigen ist, wenn sie nach acht Jahren Schule nix gelernt haben: Das ist Schuld der Schule, und aus. Darüber steht natürlich die Bildungspolitik, der Stellenwert, der dem Bildungssystem zugemessen wird. Und dazu gehört auch Erwachsenenbildung, die Bildung jener Menschen, die erziehen sollen oder lehren. Dazu gehört der Umgang mit den Menschen überhaupt, und wenn jemand müd‘ von der Arbeit, vom Büro, von der Schicht heimkommt, und es nicht mehr schafft, mit dem Nachwuchs Vokabeln zu büffeln, oder Bruchrechnen, oder Latein, dann versteh ich das voll und ganz.
Das ist nämlich auch wahr: Wer keine Kohle hat, muss nehmen, was er kriegt. Also Regelschule. In der wird aber dann im Regelfall keine Rücksicht auf Kinder genommen, die beim Anblick einer Schneeflocke draußen vor dem Fenster vom Winter träumen, und zwar sofort. Statt dem Unterricht zu folgen. Und nach der Regelschule macht man oft nicht, was einem entspricht – sondern wieder nur das, was man kriegt.
Johnny geht es gut. Er hat den Lehrplatz, den er wollte, hat sich dort halbwegs arrangiert und plant über seine Lehrabschlussprüfung hinaus. Das, was er in der Grafischen lernen wollte, bringt er sich selber bei, und wer weiß, was noch alles kommt. Hoffentlich nicht die Lockerung des Kündigungsschutzes. Nicht, weil ich mir Sorgen um meinen Sohn mache. Aber ich kenne genug andere Jugendliche. Und ihre Eltern. Einfach ist das nicht.
Ich befürchte, dass die Lehre (und im Vorfeld die Grundausbildung an sich) nicht aufgewertet wird, sondern genau das Gegenteil passiert. Den Lehrlingen wird ohnehin nicht viel geschenkt. Ein bisschen Sicherheit sollte da zumindest drinnen sein. Das hat auch was mit Wertschätzung zu tun. Oder etwa nicht?