Das Schlimmste sind die Krisen
31/01/2007
Mit Rebellion kann man besser umgehen
Wir reden doch immer wieder über Kinder. Hier und generell, das ist schon ein Thema in allen Gazetten und Lebenslagen. Wir reden, schreiben und denken nach übers Kinderkriegen, übers Kinderhaben, übers Kindergroßziehen. Ob man überhaupt welche haben möchte. Oder doch lieber nicht. Ich wollte doch lieber nicht. Nie. Dabei spielte eine eventuelle Antipathie keine Rolle, weil: Kinder sind, wie die großen, nett oder nicht ganz so nett. Mir waren sie immer ein wenig fremd. Bis ich schwanger wurde und Johnny bekam.
Johnny war nicht geplant. Dann steht man da. Unreif, verwirrt, Baby im Arm. Mein Motorrad hatte ich verkauft, die Traurigkeit, die mich in jungen Jahren treu begleitete, ließ sich nicht ganz so leicht beiseite schieben. Aber wir taten unser Bestes, und das war gut so. Anfang zwanzig noch nicht so fix in Sachen Verhütung gewesen zu sein, war, nachbetrachtet, ein Segen für mich. Jetzt, Ende dreißig, würde ich überlegen: Soll ich doch noch?
Nein, ich soll nicht mehr, weil ich hab‘ schon. Und mehr Liebe geht ohnehin nicht, also. Allerdings, ob es auch ein Segen für Johnny war, da bin ich nicht so sicher. Eine so unverspielte Mutter zu haben, eine so unfertige vor allem, das stelle ich mir schwer vor. Auf der Suche nach sich selbst vergisst man oft, dass andere warten, und manchmal, das sehe ich jetzt, habe ich zu intensiv gesucht.
Egal, ich möchte Ihnen nichts vorjammern, ich wollte Sie nur fragen, ob Sie das auch so sehen (falls Sie Kinder haben): Die schwierigsten Situationen sind nicht die, in denen sie Blödsinn machen. So wie: Nix lernen. Das Zimmer vermüllhalden. Bockig werden, rebellieren, ausprobieren, was es eben alles auszuprobieren gilt. Partys feiern, die ausufern. Diskussionen, die manchmal zu Gebrüll werden, mit blanker Wut und Türenknallen. Das ist doch alles zu ertragen und vorbei, sobald die Luft draußen ist.
Das Schlimmste, finde ich, sind die Krisen. Von denen wir Krisengeschulten sagen, da muss man halt durch. Und dass man stärker würde davon, und was es noch so Schmonzes gibt zu dem Thema. Aber wenn dann der Sohn vor einem steht, oder die Tochter, und sprachlos ist ob der Ungereimtheit der Welt, oder planlos, obwohl kein Ziel zu haben anscheinend als grobe Fahrlässigkeit in der Karriereplanung gilt, oder hilflos, weil der Zuckerguss bröckelt und dahinter was Grausames zu spüren ist (das menschlich ist, aber wer weiß das schon). Das ist schlimm.
Weil, wenn man so ein junges Kraftwerk zu Hause hat, dann möchte man es doch pulsieren sehen, und zwar am liebsten immer. Dass es da einen Status quo gibt, in dem gerade mal das Notaggregat läuft, davon redet niemand, wenn es ums Kinderkriegen geht. Oder davon, dass sie einem gegenüber sitzen können und Sachen erzählen, die sie erlebt haben und die sie nicht begreifen und man sich daran erinnert, dasselbe erlebt zu haben vor zwanzig Jahren. Und dann erinnert man sich eben auch an die eigene Hilflosigkeit, der man damals ausgeliefert war – und alles, was man möchte, ist: Ihnen den halbwegs dicken Panzer umhängen, den man sich selbst über die Jahre zugelegt hat.
Bloß, das geht eben nicht. Wenn, wäre man selber ja wieder nackig und schutzlos. Was bleibt, ist eben das Schwerste: Ihnen diese Krisen auch zuzutrauen. Und sie wissen zu lassen, wie man das selbst alles überstanden hat. Und sich selbst nicht allzu tief in der Erinnerung zu verlieren. Kann schon passieren, dass ich noch tief grüble, während Johnny schon wieder mit anderen Dingen beschäftigt ist, zum Beispiel damit, den Kühlschrank zu plündern.
Glauben Sie an Sätze wie „Kinder sind unsere Hoffnung“? Ich nicht. Aber daran schon: Wenn unserem Nachwuchs phasenweise die Hoffnung ausgeht, dann können wir selber ganz schön blöd dastehen. Das sollte auch mal gesagt werden.