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Keine Bobos auf dem Mars

31/07/2007

Ich kann Kung Fu. Kein Witz.

Manchmal muss man sich geschlagen geben und genau das tun, was man eben nicht machen wollte – zum Beispiel wieder eine Kolumne übers Muttersein schreiben. Weil, die letzte ist mir fast etwas zu gut angekommen. Als Ausgleich war für diesmal ein Depri-Text geplant, über die Sehnsucht nach rötlichen Marswüsten, mit Stille, die aufs Trommelfell drückt und einer Leere, in der man sich nicht verliert. Das hätte klappen können. Hätte. Erste kleine Schmiernotizen waren gemacht. Seit am Samstag die Marsidee im Kino entstand (Vorschau zu einem Film, der – nona, wo glauben Sie? – spielt), geht der künstlerische Geist damit schwanger. Mars! Felsebenen! Weite, Weite! Einsamkeit!

Dort gibt’s keine blöden Werbungen für Damenhygieneprodukte, die Frauen unten herum als undicht hinstellen oder als unsauber (‚tschuldigen, das wollte ich schon lang anbringen), keine Sprüche im Radio über – nein, ich sag’s nicht. Ich hab versprochen, weder das W-Wort noch das P-Wort zu erwähnen. (Das eine reimt sich auf netter und das andere auf Schotter.) Kein Ami-Bashing, keinen Feinstaub-Alarm, keine Diskussionen, ob man das Bio-Taubenbrüsterl an weißen Morcheln und von Hand großgezogenen Kartofferln im Lokal X bestellen kann, obwohl die Einrichtung so was von uninspiriert ist. Keine Menschen, die sich als „Bobos“ bezeichnen lassen und darauf noch stolz sind. Nichts, das nervt.

Ja, ich leb auch im siebten Bezirk, ja, ich hab auch einen Job in der Medienbranche, und ja, ab und zu fahr ich mit dem Fahrrad in die Arbeit. Aber wer mich als „Bobo“ bezeichnet, der kriegt es mit mir zu tun. Ich kann Kung Fu. Kein Witz. Mit genügend Adrenalin im Blut, einem gut platzierten Überraschungsmoment und viel Glück könnte ich vielleicht sogar einen Treffer landen. Und dann weglaufen. Vor allem, wenn mir der Gegner körperlich unterlegen ist. Bei „Bobos“ mach ich mir da wenig Sorgen. Die trainieren alle nur Yoga, tragen einen sanften Blick und weite Freizeithosen. Über die sie hoffentlich stolpern. Wenn sie mir nachlaufen.

Fühlt sich jetzt jemand auf den Schlips getreten, der die Bezeichnung „Bobo“ als Kompliment versteht und es sich im entsprechenden Schubladerl schön gemütlich gemacht hat? Wird mir der Fehdehandschuh ins Gesicht geworfen und die Aufforderung, ins MQ zu kommen, um bei einer Boule-Partie Vergeltung zu üben? Ha! Nur zu!

Ich würde mich so was von blamieren. Ich würde erklären, dass mir diese Kolumne ein bisserl aus dem Ufer geraten ist, weil, alle Kolumnen sind eigenständige Tierchen, manche lassen sich zähmen, andere gehen durch. Die hier geht (ich hab sie mit Schaudern überflogen) eindeutig durch. Warum plötzlich diese „Bobo“-Sache? Ich hab nicht wirklich was gegen Leute, die bourgeois sein wollen. Oder/und bohemien. Wo bleibt hier der Mars? Und was hat mein Kung-Fu-Training damit zu tun?

Es hat mich zumindest müd gemacht. Sich in meinem Alter noch mit jungen Burschen zu prügeln, hinterlässt Spuren. Wir (mein Notebook und ich) teilen uns folglich gerade nicht nur das Bett, sondern auch den niedrigen Energielevel. Denn gleich nachdem der Trainer unsere Körper wieder für einen anderen Gebrauch als den des Kampfsports freigegeben hatte, hüpfte ich erst unter die Dusche, dann ins G’wand, dann in die U-Bahn und dann nach Haus, wo ich an meinem Schreibtisch zur Ruhe kam. Computer einschalten. Mars-Schmiernotizen auspacken. Tee griffbereit. Die Finger in Schreibposition … und es geht … nicht los.

Denn der mittlerweile erfolgreich der Minderjährigkeit entwachsene (noch nicht ganz erwachsene) Sohn (viel fehlt aber nimmer) schlurft in mein Zimmer, pflanzt sich auf die Couch und beginnt zu plauschen. Nicht jetzt sagen: Hätten Sie ihn halt wieder raus geschickt! Verstehen Sie: ER beginnt zu plauschen. Er, dem das Gesicht einfriert und die Ohrwascheln einschrumpfen, sobald man den Ansatz eines netten Gespräches erkennen lässt, das über die aktuelle Kühlschrank-Füllhöhe hinausgeht. ER erzählt freiwillig von seiner Arbeit und was er so macht.

Das passiert ungefähr so selten wie eine totale Sonnenfinsternis, daher drehe ich natürlich der Marsstory den Rücken zu und lausche. Ab und an darf sogar ich was reden. Wir unterhalten uns endlich wieder einmal, wie schön.

Mit dem Effekt, dass sich die Marsstory beleidigt verzieht und, als ich mich ihr wieder zuwende, an ihrer Stelle ein paar „Bobos“ herumirren. Verstehen Sie, warum ich nie reich sein werde? Ich könnte Millionen scheffeln mit Erziehungstipps und Mutterkolumnen, stattdessen schreibe ich konfuse Texte über diverse Bevölkerungsgruppen und den Mars. Über Ebenen aus rotem Sand. Mit Fels überzogen. Weite, Weite! Einsamkeit!

Ach. Na ja. Vielleicht das nächste Mal.

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