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Donauwalzer II

02/09/2011

Frau Jedlicek und Frau Otto tanzen. Frau Elberich und Frau Gertrude, niemand weiß ihren Nachnamen, tanzen auch. Frau Singer schwingt mit der Frau vom Pastor über das Pfarrsaalparkett, der Pastor selbst sitzt mit dem Pfarrer an der Bar. Dahinter steht die Irmi vom Schlachter Josef, das jüngste seiner drei Mädchen. „Vier“, sagt der Schlachter Josef. Ein Fleischfächer, denkt der prosaisch angehauchte Pfarrer angesichts der vier dicken Schlachter-Finger, mit denen ihm der Josef vor der Nase wachelt. „Ah, vier sind’s“, sagt der Pfarrer, und der Josef rülpst, bevor er meint: „Musst es ja wissen, hast’s ja tauft.“ Dann, zur Irmi: „Geh, gib ma noch a Bier.“ Irmi folgt.

Derweil zupft Frau Edeltraud Ploderl schüchtern am Ärmel vom Herrn Pastor. „Gehn’s, mögen’s nicht tanzen, Herr Pastor? Ich hätt‘ a Freud‘ und der Herr im Himmel sicher auch, bei so einer schönen Musik!“ Der Pastor schüttelt sich sanft die Ploderl vom Ärmel, zeigt auf sein volles Glas. „Später“, sagt er, „nicht bös‘ sein.“ Eh nicht bös‘ wippt die Ploderl auf ihren Zehenspitzen, nach einem anderen Opfer ausspähend, im Dreivierteltakt, und im Takt wippt auch der mächtige Schnauzer von Pepi Glitter, der den Donauwalzer in die Bontempi hämmert. Der Schweiß tritt ihm auf die Stirn. „Ein ganz ein Fitter, dieser Glitter!“, ruft Frau Jedlicek, und der Großteil der walzenden Damen denkt synchron, dass sie es ja wohl wissen müsse. Frau Gertrude steuert ihrerseits mit Frau Elberich Richtung Alleinunterhalter und parkt ihre Tanzpartnerin geschickt reversierend zwischen Keyboard und rechter Lautsprecherbox, auf der ein halb geleertes Glas weißer Spritzer vibriert und ein Packerl Smart abzustürzen droht. „Hearst“, schreit sie, Frau Elberich immer weiter schwenkend, „de Donau is a ruhiger Strom, ka Gebirgsbacherl!“ Der sich an den Tasten abrackernde, im Hauptberuf als Josef Auinger bei der Bahn tätige Pepi Glitter blinzelt. Ihm rinnt der Schweiß in die Augen, aber die Hände kleben am Walzer, was soll man machen. Die Frau hat was gesagt, denkt er, verstanden hat er nix. Vorsichtshalber zwinkert er ihr zu, weil, fesch ist sie ja. „Net zwinkern, obagehn vom Tempo soist, Depperta!“ Frau Gertrude ist empört, Frau Eberhart nutzt die Gunst der Sekunde und übernimmt die Führung. „Komm, Gertrutscherl“, und weg sind die beiden. Zurück bleibt ein zitternder Schnauzbart und eine Donau mit schneller Strömung.

„Wer is’n die eigentlich?“, fragt der Pastor den Pfarrer. Der wischt mit dem Finger über den Rand des Bierglases und folgt dem Blick des ökumenischen Kollegen. „Das ist die Gertrude, die ist auf Besuch bei der Jedlicek. Ich mein“, sagt er und nimmt einen Schluck, „bei der Frau Jedlicek.“ Dann zeigt er mit dem Kinn in Richtung Pepi Glitter: „Schau mal, die Ploderl hast auch anbracht.“ Der Pastor folgt nun seinerseits dem Blick des anderen. „Ich mein“, sagt der Pfarrer, „die Frau Ploderl.“ „Der Herr wird’s richten“, sagt der Pastor und beide lachen.

Und wirklich wippt die Ploderl nun neben dem Musiker auf und ab, der in einem Affentempo dem Schwarzen Meer zusteuert, wie Frau Gertrude der Jedlicek versichert: „Boid is er ankommen.“ „Machen Sie sich Ihnen nichts draus, Herr Glitter!“ Der schweißbeperlte Schnauzer schwenkt Richtung Ploderl, die Finger jagen über die Tasten. Lang halt i das nimmer aus, denkt Pepi Glitter und die Ploderl denkt auch, dass er das nimmer lang aushalten wird, und sagt, um ihn zu trösten, und weil sie die Frau Gertrude, die Trutschen, eh nicht mag: „Die hat ja keine Ahnung von Musik und vom Strauß auch nicht! Und überhaupt, die Donau war zur Zeit vom Strauß noch gar nicht reguliert.“

Am Tisch daneben liegen sich der Pfarrer und der Pastor vor Lachen weinend in den Armen, die Stimmung steigt ins Unermessliche, der Walzer tobt durch den Raum, die Damen schnaufen und kreischen, Frau Ploderl wippt und dann, Schlussakkord. Glitter greift nach seinem weißen Spritzer und den Tschick. „Pause“, sagt er. Und geht ab.

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