Bettina Gärtner: „Herrmann“
31/03/2020
Die Redaktion von Lesart – das Literaturmagazin – lädt in der Reihe Autor*innen empfehlen Autor*innen dazu ein, im Frühjahr 2020 erschienene Bücher vorzustellen. Nachdem sich Birgit Birnbacher (Bachmannpreis 2019) für mein neues Buch entschieden hat (danke!), war ich an der Reihe. Entschieden habe ich mich leichten Herzens für Herrmann, den vor kurzem im Droschl Verlag erschienen Roman von Bettina Gärtner.
Hier mein Beitrag zum Nachhören:
Und hier der Text zum Nachlesen:
Herrmann von Bettina Gärtner
Es ist die Sprache mit ihrer in feinen Nuancen changierenden Färbung, die über die Erzählung hinaus Stimmungen schafft, grundverschiedene Atmosphären der Lebenswelten der Titelfigur. Aber, ob diese Welten tatsächlich so verschieden sind? Herrmann ist nicht nur der unkündbare Angestellte im mittleren Management. Er führt die Hundezucht des verunglückten Vaters fort und weiß nicht, ob er das wirklich möchte. Dem Elternhaus gegenüber wohnend, in einer Landgemeinde, aus der er in die Bundeshauptstadt pendelt.
Abends warten Mutter und Schwester, Herrmann schlüpft der Mutter zuliebe in die Hausschuhe des Vaters, was bei Bettina Gärtner so klingt: „Er betrat sein Elternhaus nicht erst seit dem Unglück nur noch mit dem Wunsch, es schnell wieder zu verlassen. Wie immer scharrten die Hunde hinter der Tür, und die Hausschuhe seines Vaters brachten ihn aus der Fassung.“ (S 61)
Eine Umkehrung ist dieses Buch. Nicht nur eine, sondern einige Umkehrungen, Verschiebungen tun sich auf unter Bettina Gärtners genauem Blick. Mit einer Sprache, die, wenn es denn sein soll, so Nutzmöbel-beige sein kann wie die Einrichtung in jedem x-beliebigen Bürokomplex. In einem solchen befindet sich die nur aus Höflichkeit „Abteilung“ genannte „Interne Kommunikation“, geleitet vom Mitvierziger, mit vager Hoffnung auf beruflichen Aufstieg, allerdings mit einer Persönlichkeit ausgestattet, die nur dafür gut zu sein scheint, jenen den Platz freizuhalten, die besser vernetzt sind, aus Gefälligkeit untergebracht werden müssen, sollen, wollen – und „Herrmann, Sie verstehen das doch, oder?“
Es tut sich viel in diesem Buch, dessen Handlung nur eine Woche andauert und deutlich eben diese Umkehrungen zeichnet, mit denen man nicht rechnet, ist man jung und springt im Sommer in den Löschteich, mit seinen vielen – zu vielen, zu bunten – Fischen. In Bildern wie diesem erschließt sich die Geschichte von einem, der als junger Mann stark und unbekümmert war und dem ausgerechnet die Ambitionen jenes Freundes den Rest geben, der früher als der Schwache galt, als das „Opfer“. Orban heißt er, dreißig Jahre war er weg, kehrt in den Ort zurück, und übernimmt.
Bettina Gärtner schafft es, mitten in diese Tristesse ihren sehr feinen Humor zu platzieren, Szenen voller Mitgefühl neben heimliche Gewaltphantasien. Nichts fällt aus dem Rahmen in diesem Buch – und gleichzeitig alles. Es ist klug, es nimmt mit, es ist voller Ideen und wunderbar geschrieben.