BERG TEXT FLÜSTERN (ein Experiment)
25/06/2015
über dem nördlichen wendekreis steht die sonne still. der längste tag. die kürzeste nacht. der see spuckt mir vor die füße. sagt es war der wind. sonnenflecken. treffen nur das holz. der eine schwankt im wellengang. der andere steht fest. der hölzerne schwankt immer noch. schwankt doppelt. den steinernen kümmert es wenig. dreht sich weg. wenn er ein gesicht hat. dann ist es auf der anderen seite. der hölzerne berg kommt näher. während sich der andere umwolkt. weil der steinerne kein leuchten hat. schmückt sich der hölzerne mit licht. von oben muss das unten glänzen. sind immer zwei. sagst du. sind immer zwei. der hölzerne wippt und quert. wellengang. ein gezitter. gemuster. unscharf. verworren. wie sich das eine unter das andere schiebt. oder darunter. der hölzerne gaukelt sich ein meer. und segelt fort. hinter die landzunge. dort. du siehst es nicht auf deinem festen sockel. dort. geht es weiter. dort. hat sich der horizont verschoben. und mit ihm alles andere. hinter das erdenrund.
Der BERG ist ein Projekt von Clemens Bauder, Felix Ganzer und Ella Raidel im Rahmen des Festivals der Regionen 2015 in Ebensee (Schichtwechsel – Hackeln in Ebensee). Ich darf das Projekt literarisch begleiten. Was auch immer mir einfällt, passt. Was mir eingefallen ist, sind „Flüstertexte“ – wie obiger Auszug, geflüstert zu einer von meiner kleinen, billigen Kamera aufgenommenen Szene (der BERG fährt ein in die Traunkirchner Bucht). Ein Experiment, wie alles.
Bilder vom Berg
22/06/2015
Festival der Regionen. „Schichtwechsel. Hackeln in Ebensee.“ Projekt: Der Berg
Nach der Lesung ist vor der Lesung
31/05/2015
Die Lesung/Präsentation unseres „BIteLDxt/TEbiXTld“-Projektes war intensiv, wunderbar, spannend und fordernd – für Michael Hedwig und mich schon unser drittes gemeinsames Projekt. Was uns besonders freut: Bilder und Texte kann man bis zum 26. Juni 2015 in der wunderschönen Universitätsbibliothek der Akademie der bildenden Künste in Wien besichtigen/lesen.
BIteLDxt – TEbiXTld: Bildprojektion/Lesung
17/05/2015
28. Mai 2015: Ausstellung und Lesung, Akademie der bildenden Künste (Wien)
Aus Bild wird Text wird Bild wird Text … ein Reagieren, ein Antworten, ein Dialog. Auf jeden Fall: ein Prozess.
Nach „Sterntaler“ (2008) und „Tagwerk & Nachtarbeit. Miniaturen“ (2014) ist „BITELDXT“ meine dritte Zusammenarbeit mit Michael Hedwig.
Zusätzlich zu unserem Bild-Text-Dialog zeigen (und lesen) wir an diesem Abend einen Auszug aus den früheren gemeinsamen Werken und wagen ein Experiment.
Beginn: 19.00 Uhr
Ort: Akademie der bildenden Künste Wien, Schillerplatz 3, Mezzanin, Raum M7, Universitätsbibliothek, Lesesaal, 1010 Wien Ankündigung bei Michael Hedwig.
Greed
02/10/2012
I sit up and think of your pictures. Exhausted people, anger, poverty. Arrogance founded on whatever alienness, whatever distance. Fear. All antipoles. Charity, wildness, desire.
You would say, “Greed”.
Im dunklen Zimmer. Es ist nach Mitternacht, nur der Bildschirm leuchtet. Ich stelle seine Helligkeit so niedrig wie möglich und denke an C.
C. lebt in Florida. Ich habe ein Bild von ihm. Es zeigt einen schmalen Burschen, in Uniform, 1945. Er erzählt mir oft vom Krieg, von Österreich im Krieg, von den Mädchen, von „Ankerbrot mit Schmalz und Salz“ – er sagt „Schmohlts und Sohlts“, er sagt „servus“ und „kapuut“ und „macht nix“. Ich habe ihm zum Geburtstag ein Wörterbuch geschickt, in die Karte geschrieben: Next time I’m with you we’ll talk German all day long.
Sein Körper ist schwer geworden. Er schleppt ihn durch die Wohnung. Manchmal ist C. so traurig, dass er wütend wird. Dann entlädt sich ein Funken seiner früheren Kraft. Etwas blitzt auf, schleudert sich in die Luft und verbirgt sich im nächsten Moment. Auf dem linken Unterarm trägt er ein Anker-Tattoo.
Dieser Anker rührt mich am meisten an.
Wir unterhalten uns oft per Skype. Einmal summte C. eine Melodie. Do you know this song? Ich schickte ihm einen Link, sah, wie er das Mail öffnete, hörte mit ihm „Lili Marleen“, sah sein Gesicht nicht mehr im Bildschirmfenster der Webcam, nur die weißen Haare, er hielt den Kopf gesenkt, ganz dicht an den Lautsprechern seines Computers. Der Kopf zuckte. You made me cry.
Deswegen muss ich das jetzt schreiben, in der Nacht, aus der ich C. nicht helfen kann. Ich stehe am Eingang und er entgleitet mir an ihrem Ende. Ich stehe am Eingang und halte eine Leinwand hoch, auf die er sein Leben wirft, dessen Dauer er spürt und die Fülle und alle Farben und Gerüche und alles Licht und die Bewegungen und Berührungen, seine Männlichkeit, seine Souveränität, all das.
All das muss ich festhalten wie auf einer Leinwand, und wenn die Arme schon wehtun, muss ich sie trotzdem noch halten, und wenn er weint, dann darf ich die Arme nicht sinken lassen, sondern muss sagen: Schau hin.
mein tod
11/03/2012
Vor dem Fenster zwei Vögel
22/11/2011
Vor dem Fenster zwei Vögel. Der eine fast tot, er ist durch das Glas geflogen und hat seinen Körper zurückgelassen. Wuchtig gebrochenes Genick. Ein Bersten, ein Knall. Ein Klang. Ich sehe auf, als ich das Sterben höre, schaue durch das Fenster auf das Zurückgelassene. Dünne Knochen, braunweiße Federn, schwarze Punkte im geneigten Kopf, das sind die Augen, ohne Blick. Aus der weichen Form hebt sich ein Rest Leben, die Absicht, von hier nach dort zu fliegen, zurück auf den Zaun, zum Strauch im dämmernden Garten. Ich rühre mich nicht. Der zweite Vogel wandert auf und ab, bleibt stehen, betrachtet den anderen. Kehrt um, steht wieder. Still ist es. Allein der Tod werkt vor sich hin. Er gefriert im winzigen Geflecht der Adern, verzuckt knisternd im nussgroßen Hirn. In zentimeterlangen Muskeln. Da draußen stirbt etwas und verliert sich im Ausmaß, in dem seine Wärme vergeht. Daneben der andere Vogel sieht zu und weiß und weiß nicht, dann ist es ausgestanden und einer allein. Ich sehe weg und wieder hin. Das Fensterbrett ist leer, bis auf das Zurückgelassene.
STERNTALER (Textauszug)
19/03/2010
Ich stelle mir den Tod vor, er bildet sich zwischen den Büschen, eine Gestalt aus wirbelndem Sand. Was weiß ich über ihn?
Nichts, er ist nur das zerbrechende Geräusch in der Lunge meiner Großmutter, die in meinen Armen starb, als ich ein Kind war, staunend. Er ist die plötzliche Abwesenheit von Leben, die sich sofort mit neuem Leben füllt, ein Flicken neues Leben über der abgestorbenen Stelle. Ja, aber was weiß ich über den Tod? Nichts. Also verhandle ich mit ihm, nenne ihn Hades, beschwöre ihn, frage: Warum bist du Hades, warum nicht Narkos, dein Bruder, der Schlaf bringt statt Tod?
Was willst du, um ihn freizugeben?
Meine Seele ist leer. Alles, was zu sagen ist, ist gesagt. Bis auf ein Letztes. Während du dich immer weiter von mir entfernst, starrt Hades in meine Richtung, über mich hinweg, als warte er auf etwas, auf das Letzte. Und indem mich die Worte verlassen, kommt auch dieses Letzte nach oben: Was, wenn ich an seiner Stelle sterbe?
Ein Ruck in den Augen des Todes, jetzt sieht er mich an und ich spüre, ja, das wäre die Wahrheit, denn auch das spüre ich: Sie darf es nicht sein. Du stellst dich zwischen mich und den Tod. Wehrst ihn ab. Ein Blick von dir und er wird im Wind zerblasen, Staubteilchen verfangen sich in meinem Haar, feiner Staub, der mich nie verlassen wird.
Aber du sagst: Nein.
Du bist tot. Unwiderruflich. Sand wirbelt um uns, der Wind spielt mit trockenen Blättern.Etwas senkt sich in mir. Sinkt nach unten. Das Licht senkt sich, wird dunkler um einen Ton. Das Hellblau des Himmels färbt sich ins Purpurne. Der Himmel senkt sich auf die Sträucher, verbirgt sie.
Mein Denken sinkt, mein Fühlen, meine Hände sind schwer, mein Kopf senkt sich, meine Schultern. Es, was, zieht mich nach unten, du stehst vor mir, siehst mich an. Ich falle auf die Knie. In dieser beginnenden Dunkelheit, die still ist wie ein Meer. Ein Meer aus Sand.












